Ich staune immer wieder nicht schlecht, wenn ich Pedelecs und E-Bikes aus dem Eigenbau sehe: Man erkennt ihre Liebe zum Detail auf Anhieb. Ein E-Bike oder Pedelec aufzurüsten ist allerdings gar nicht so einfach. In einer Interview-Reihe stellen wir nun begeisterte Radler vor, die sich ihre Bikes nach Wunsch zusammengeschraubt haben.
Erste Erfahrungen durch Ausschlachten
Den Einstieg macht Jan (48) aus Schorndorf. Der gelernte Schreiner kauft sich schon seit Jahren kein Rad mehr von der Stange. Ein Auto braucht er nicht, da er alles mit dem Pedelec und der Bahn erledigen kann. Damit ist er also das ganze Jahr über auf zwei Rädern unterwegs und das, trotz allen Witterungen und Jahreszeiten. Für ihn sind „Custombikes“ das A und O. Daher fing er damit an günstige Pedelecs auszuschlachten und ihren Antrieb testweise in seine „Alltagscruiser“ einzubauen. Das habe viele wertvolle Erfahrungen gebracht. Durch das Schrauben lebt er einfach seine Kreativität aus. Die Freiheit Fahrzeuge bauen zu können, die mit wenig Vorschriften behaftet sind, begeistert ihn jedes Mal aufs Neue. Er würde sich selbst als „Native“-Schrauber bezeichnen, da er schon an Fahrrädern geschraubt hat, seit er einen Schraubenschlüssel bedienen kann.
„In unserer Familie war nie ein Fahrrad vor mir sicher. Meine Mutter wirft mir das immer noch vor.“
Somit ist klar, dass er auch im Neuland „Pedelec“ wild drauf los schrauben würde, um das „Learning by Doing“-Prinzip zu verfolgen. Gebrauchte Pedelecs sind auch gar nicht so teuer und eignen sich daher sehr gut für solche Zwecke.
Pedelec umbauen: Tipps aus dem Netz
Jan hat sich ürigens zusätzlich auch Tipps und Ratschläge aus dem Netz geholt. Einschlägige Foren können helfen, die notwendige Inspiration zu finden und Probleme gemeinsam zu bewältigen. Für Jan waren die Kabel das größte Problem beim Umbau. Sein Ziel war es diese möglichst elegant im Rahmen zu verlegen: Die Herausforderung bestehe darin, Steckverbindungen die im Weg sind zu umgehen und die richtigen Kabellängen zu bestimmen. Zudem müssen die Kabel auf lange Sicht erreichbar bleiben, falls Reparaturen notwendig sind. Ein Kabelgewirr kommt für ihn nicht in Frage, er will es simpel mit klaren Linien. Dabei verfolgt er stets das Motto aus dem Rock ´n Roll: Keep it simple and it will be good! Generell sieht er aber keine großen Schwierigkeiten beim Umbau eines Pedelecs:
„Ein Pedelec zu bauen, ist etwas anspruchsvolles, ein Pedelec umzubauen, ist Geschmackssache. Neben Tuning (verboten) bleibt nur die Optimierung von Teilen, sprich Sattel, Reifen, Lenker, eben Einzelkomponenten.“
Dabei gibt er den Tipp, zunächst mit einfachen Umbauten zu beginnen, um sich adäquat an das Thema herantasten zu können. Mit der Übung und dem wachsenden Sachverstand könne man seine Ziele höher stecken und auch hochwertigere Teile ersetzen. Dies sei auch früher oder später eine Notwendigkeit, gibt er zu bedenken, da der Verschleiß bei einem Elektrofahrrad ungleich höher sei, als beim normalen Drahtesel.
Da Jan sein Rad zum alltäglichen Gebrauch nutzt, hat er beim Umbau natürlich darauf geachtet, dass es den Vorschriften entspricht. Das gilt für alle seine Pedelecs. Lediglich bei „optischen Störfaktoren“ scheint er etwas eitel:
„Ein möglicher Strafzettel für fehlende Reflektoren ist lächelnd einkalkuliert.“
Ein selbstgebautes Pedelec fällt auf
Wir hoffen einfach mal, dass es dennoch in der Dämmerung und bei Nachtfahrten auffällt, sonst wäre es wirklich schade um das Pedelec. Ebenso schade, wenn es geklaut werden würde. Das Pedelec ist leider nicht abgesichert. Im Falle eines Diebstahls hofft Jan darauf, dass die „Auffälligkeit dem Dieb nicht lange Freude bereiten“ würde. Sollte es aber nicht wieder auftauchen, müsste sich Jan mit dem Gedanken anfreunden, dass er ein Neues bauen müsste. In diesem Fall würde ich Jan ja dazu raten, sich bei der Fahrradjäger-Community anzumelden oder vielleicht andere Möglichkeiten des Trackings in das Rad zu integrieren. Es wäre wirklich zu schade, wenn seine Custombikes verschwinden würden.
„Auf dem normalen Rad fühle ich mich unscheinbar.“
Schließlich bringt ein jedes auch seine ganz eigene Geschichte mit. Daneben fühlt er sich mit seinem Rad auch einfach nur wohl. Die große Aufmerksamkeit die ihm Dank des Rads geschenkt wird, macht ihm nichts aus. Im Gegenteil, er scheint es regelrecht zu genießen:
„Ich bin mit meinem Fahrrad nie einsam. Wenn ich mit meinem Bike unterwegs bin, entstehen sehr oft nette Gespräche. Wer ein einmaliges Fahrrad fährt, wird garantiert angeschaut, oder angesprochen. Fahre ich mal mit einem normalen Fahrrad, fühle ich mich seltsam unscheinbar. Wie leicht man Fahrradfahrer doch übersehen kann…ist also ein auffälliges Fahrrad vielleicht sogar sicherer? Ich hoffe es.“
Gewagte These, denn wer seinen Blick nicht von seinem schicken Rad abwenden kann, fährt ganz schnell mal gegen eine Straßenlaterne. Ok, ich hoffe nicht, möglich wäre es aber, oder?
Herzlichen Dank lieber Jan, dass du dir die Zeit genommen hast, meine neugierigen Fragen zu beantworten! Ich finde deine Custombikes sind auf jeden Fall ein Hingucker, vor allem das „kleine Schwarze“ hat es mir angetan. Da kommt direkt ein „Born to be wild“-Feeling bei mir auf. Ich habe großen Respekt vor deinem handwerklichen Geschick. Wenn du als Schreiner nur halb so gute Arbeiten ablieferst, wäre ich gern Kundin bei dir.
Wir suchen auch eure E-Bike-Stories!
Ihr möchtet euer Custombike auch gern vorstellen? Kein Problem! Wer ein umgebautes Pedelec oder E-Bike hat und bereit ist, einige Fragen zu beantworten kann uns gern eine Mail an redaktion@ebike-on-tour.de schicken oder einfach einen lieben Kommentar hinterlassen. Wir freuen uns, wenn wir euren Goldstücken eine Plattform bieten können!