Im nächsten Teil unserer Custombike-Reihe möchten wir euch nun Radler Michael vorstellen. Er besitzt ein umgebautes eMTB und fällt damit in vielerlei Hinsicht völlig aus dem Rahmen. Wie es dazu kam, was seine Motivation ist und wie er sein Bike vor Langfingern schützt, verrät er uns nun im Interview. Tricky an seinem Bike: „Durch den gut „getarnten“ Akkupack, erkennen es die meisten Leute nicht als Ebike.“
Normale eMTBs wurden seinen Ansprüchen nicht gerecht
Natürlich interessiert zunächst die Frage nach dem „Warum?“. Aus welchem Grund hat sich Michael für ein Selfmade-Bike entschieden, immerhin stecken da meist viel Zeit und Geld drin. Für ihn war relativ früh klar: Die eMTB´s erfüllen nicht seine Vorstellungen. Schon gar nicht, weil er einen Heckmotor einem Mittelmotor vorzieht. Denn eigentlich kommt er aus der „Enduro“-Ecke – Bikes mit normalem Verbrennungs-Motor und hat andere Anforderungen, als die Bikes erfüllen könnten. Er wollte einfach ein „Bike mit Fahreigenschaften, die es bis heute nicht oder nur für sehr viel Geld von der Stange gibt“. Das geht selbst doch günstiger, dachte er sich wohl. Passend, dass er auch sonst über einen starken Basteltrieb verfügt. Seine Infos hat sich Michael dabei in einschlägigen Internet-Foren eingeholt. Dabei standen das deutsche Pedelec-Forum und auch das internationale Endless-sphere.com-Forum ganz oben auf der Liste. Bei Letzterem sitzen „die echten e-Bike Cracks, von denen man noch etwas lernen kann“.
Im Herzen ein Puma
Das Herzstück seines Custombikes ist ein Puma-Motor und ein Umbausatz von ebike Solutions. Nun kamen schon die ersten Probleme auf, denn der Controller ab Werk hatte nur sehr ungenügende Steuerungsoptionen. Zudem war er nicht StVO-konform. Dank Informationen aus dem Endless-sphere-Forum gelang es ihm aber, einen Precontroller aufzusetzen, der den eigentlichen Leistungscontroller steuert und zudem noch nachgerüstet (beispielsweise mit einem Tempomat) werden kann. Problem gelöst. Zumindest kurzfristig. Auf lange Sicht gesehen kamen weitere auf den Radler zu:
„Das größte Problem dürfte bei einem geländetauglichen Bike immer das Selbe sein – das Gelände.“
Der raue Untergrund sorgt durch Vibrationen und Stößen dafür, dass das Material schnell verschlissen wird. „Daher war der Umbau auch keine Aktion, sondern ein jahrelanger Prozess mit vielen Fehlversuchen und gekilltem Material.“ Selbst jetzt ist Michael noch nicht an der Spitze des Eisberges angelangt und versucht stetig weitere Optimierungen vorzunehmen, damit das Bike auf lange Sicht hält.
Der Weg ist das Ziel – Individualität rechtfertigt Investitionskosten
Da Michael angegeben hatte, dass Bikes von der Stange, die seinen Ansprüchen einigermaßen gerecht werden würden, zu teuer wären, stand die Frage nach den Investitionen im Raum. Rückblickend gesagt lassen sich diese allerdings schwer einschätzen, da das Bike innerhalb der letzten Jahre stetig verändert wurde. Eine grobe Angabe kann er allerdings dennoch machen: Der reine Umbausatz inklusive des Tandem Akkupack (Selbstbau) lag bei rund 1.000 Euro. Dabei hat er wirklich kräftig gespart:
„Wo die Leute mit Bike von der Stange Wasser ins Auge bekommen ist der Akkupreis. Einen 950Wh Tandempack baue ich für ca. 300 Euro Material – das entspricht zwei Standard Akkus eines Haibikes*, sprich 150 Euro das Stück.“
Dennoch schätzt er, dass im Laufe der Jahre sicherlich weitere zwei- bis dreitausend Euro in das Bike investiert worden sind. Das sieht er allerdings total locker:
„Aber das darf man so nicht rechnen, denn der Weg ist im Gegensatz zum Kauf von der Stange das Ziel! Unschätzbarer Vorteil – keine Reparaturkosten mehr außer Material. Wer sollte das auch reparieren?“
Die Liebe zum Detail im eMTB
Michael ist sichtlich stolz auf sein Bike. Zu Recht, behaupte ich. Ich finde es großartig, wenn Menschen sich für mehr Individualität entscheiden und Wege bestreiten, die für andere unbestreitbar erscheinen. Und weil Michael so stolz auf sein „Baby“ ist, hat er ein paar technische Angaben für euch aufgelistet, damit ihr euch ein klareres Bild davon machen könnt: „Das Bike ist getrimmt für’s harte Gelände, Training mit den Limitern als auch lange Touren. Mit dem Extenderakku sind >200km kein Thema.“
- – Mikroprozessor gesteuerte Leistung / Speed Regelung auf Basis eine guten, alten Infineon 12FET Controllers (custom build)
- – 3-Stufen Strom Limiter (1/3 2/3 Voll)
- – 3-Stufen Speed Limiter – StVO clean mit 6km/h Anfahrhilfe und Leistungsüberwachung
- – Geschützter Offroad Modus in Software pur
- – Eigenentwicklung
- – Alarmanlage mit Wegfahrsperre/Blockierung des Hinterrades
- – SMS Alarmierung bei Erschütterung oder Radbewegung sowie Sirene am Bike
- – Nonstop GPS Datenlogging per Mobilfunk auf eigenen Traccar Server
- – 7 Tage unabhängige Standortdaten ohne E-bike Akku durch Pufferakku
- – 5V USB Anschluß am Lenker für Handy-Navi, schnellladefähig mit 2A
- – automatischer Tempomat (beste Sache überhaupt)
- – manueller Gasgriff
- – PAS aktiviert im StVO
- – Cockpit mit aktueller Spannung / Verbrauch / Leistung / entnommene Kapazität
- – 15 W Frontlicht mit 1.500 Lumen Lichtleistung. Abblendfunktion für Straßenbetrieb, custom build
- – Ladebuchse am Sattel für mobilen 900W Lader oder 800Wh Extender Akku
- – berührungsloser Motorabschalter für Hydraulikbremse
- – custom Hochstrom Akkustecksystem für rauen Geländeeinsatz (2 x 150A)
Kontrolle ist alles: Rechtlich ein Pedelec, wenn Michael es will
Wie sieht es nun aber mit den rechtlichen Aspekten aus? Bei Custombikes sollte ja darauf geachtet werden, dass man es nicht übertreibt, vor allem bei der Leistung. Sonst fallen sie rechtlich schnell in eine andere Kategorie und schon ist der Fahrspaß vorbei. Der ITler versichert mir aber, dass es sich hier um ein waschechtes Pedelec handele – und es damit gleiche Voraussetzungen wie ein normales Rad erfüllen muss. Michael selbst sagt:
„Das Bike ist auf der Straße ein echtes Pedelec und braucht von daher keine Zulassung. Dafür ist der besagte Precontroller im Eigenbau verantwortlich. Der überwacht die entnommene Strom Leistung sowie die Akkuspannung und regelt das Bike im StVO-Modus korrekt herunter und erlaubt Vortrieb über Handgas nur wenn getreten wird.“
Tipp: Im Pedelec Forum hat er eine Dokumentation über das Gerät erstellt, falls ihr neugierig seid. So habt ihr die Möglichkeit ein Gefühl dafür zu entwickeln, was möglich ist. Besonders gut gefällt ihm übrigens das „C64“-Feeling, wemm er das Kontrollmodul programmiert.
Risikomanagement gegen Langfinger
In einem echten Custombike stecken meist viel Schweiß und Herzblut – das kann keine Versicherung im Ernstfall abdecken. Daher möchte Michael sein Bike prinzipiell nicht versichern – es würde einfach keinen Sinn machen. Umso spannender ist es daher, wie Michael sein Bike sichert, damit es keinen frechen Fahrraddieben zum Opfer fällt.
„Als erste Hürde kommt aber natürlich ein fettes Schloss an’s Bike! Damit der Junge was zu tun hat, bis ich hinter ihm stehe.“
Am Bike ist ein GPS-Modul befestigt, welches mit dem Precontroler verbunden ist. Schon bei der kleinsten Bewegung des Rades wird Michael per SMS alarmiert. Da das Hinterrad durch den Motor blockiert wird, kann der Dieb das Rad nicht wegfahren. Für den Fall, dass das Rad verschleppt werden sollte, loggt das GPS-Modul stetig seine Position, die mit dem Handy abgefragt werden kann. Durch einen Puffer-Akku am Sattel kann das GPS-Modul auch bis zu einer Woche ohne den Fahrrad-Akku betrieben werden – Zeit genug, um das Bike wiederzufinden:
„Das Ganze wird über einen Funksender am Schlüsselbund oder einen Code an der Bremse wie beim Auto aktiviert und deaktiviert.“
Das gesamte Konzept wirkt gut durchdacht und ähnelt den Diebstahlsystemen, die aktuell auf dem Markt angeboten werden. Und wir geben ihm recht: Den emotionalen Wert kann ihm wirklich keiner ersetzen. Wer kein „Bike von der Stange“ hat, wird dem Verlust seines Custombike auch bei einem adäquaten Ersatz lange nachtrauern. Wir hoffen aber, dass es niemals dazu kommen wird! Hab vielen lieben Dank für das Interview, Michael! Wir wünschen dir weiterhin frohe Fahrt und freuen uns schon auf die nächste Story mit dir und deinem Bike!
Kurze Info zu Michael
„Hallo! Mein Name ich Michael und ich wohne im schönen Sauerland. Ich bin 46-jähriger Familienvater und selbstständig in der IT-Branche. Nebenbei entwickle ich Profi-Tauchlampen für einen amerikanischen Hersteller. Des E-Bike nutze ich für alle erdenklichen Möglichkeiten – inklusive Geländeritte. So komme ich im Jahr auf ca. 20.000 km. Ich bin aber auch mal gerne ohne Akkus als „Familien-Tourenmaschine“ unterwegs. Alternativ darf es aber auch mal die Anschiebehilfe bei Berganfahrten für den MTB-Nachwuchs sein. Der Motor zieht auch zwei Fahrräder jeden Berg hoch wenn es sein muss!“
Wir suchen auch eure E-Bike-Stories!
Ihr möchtet euer Custombike auch gern vorstellen? Kein Problem! Wer ein umgebautes Pedelec oder E-Bike hat und bereit ist, einige Fragen zu beantworten kann uns gern eine Mail an redaktion@ebike-on-tour.de schicken oder einfach einen lieben Kommentar hinterlassen. Wir freuen uns, wenn wir euren Goldstücken eine Plattform bieten können! * Anmerkung der Redaktion: Eine mehrfach ausgezeichnete Marke, die sich auf eMBTs spezialisiert hat.